Der Kreuzweg des hl. Joseph

Loreto 19.3.1980, 1986

 

(Heute, am 5. Fastensonntag – einst hie§ er Passionssonntag – trifft datumsmŠ§ig das Fest des hl. Joseph. Liturgisch wurde es gestern schon gefeiert, heute hat die Liturgie des Fastensonntages Vorrang. Aber es ist sicher trotzdem erlaubt, sich an den hl. Joseph zu erinnern und das Evangelium des heutigen 5. Sonntages (in der Jahresreihe A) einmal ohne Predigt darŸber auf sich wirken zu lassen. Es ist ja leicht zu verstehen in seinem wesentlichen Kern, bei dem es nicht etwa nur um die Auferweckung des Lazarus geht, sondern um die Tatsache, dass Christus, der seinem Leiden und Sterben am Kreuz entgegengeht, die Auferstehung und das Leben ist.

Darf ich heute, da wir liturgisch schon in die Passionswoche eingetreten sind, an diesem Fest des hl. Joseph an den Kreuzweg des hl. Joseph erinnern.)

Kreuzweg des hl. Joseph? Vielleicht denkt ihr sofort, davon noch nie etwas gehšrt zu haben. Aber hat nicht jeder Mensch, der sich mit dem gšttlichen KreuztrŠger Christus verbunden wei§, einen Kreuzweg zu gehen? Christus hat doch gesagt: ãWer nicht tŠglich sein Kreuz auf sich nimmt und mir nachfolgt, kann mein JŸnger nicht sein!Ò Auch die Heiligen waren von dieser Grundregel des christlichen Lebens nicht ausgenommen. Erst recht waren jene Heiligen davon nicht ausgenommen, die in der nŠchsten NŠhe dessen leben durften, der aus SŸhne fŸr die SŸnden der ganzen Menschheit gehorsam geworden ist bis zum Tod am Kreuze.

Wie sieht nun der Kreuzweg im Leben des hl. Joseph aus? Ich will versuchen, euch ein paar Stationen seines Kreuzwegs zu nennen und zu schildern:

1.    Station: Joseph wird dazu berufen, jungfrŠulicher Gemahl der seligsten Jungfrau Maria zu sein.

Wir sehen fŸr gewšhnlich darin immer nur Ehre und Auszeichnung. Dass diese hohe Berufung aber auch ein Leben des Verzichts und des Opfers bedeutete, das Ÿbersehen wir so leicht. Gewiss war es eine ehrende Aufgabe, dass diesem edelgesinnten, frommen, arbeitsamen, gerechten jungen Mann die Beste und Schšnste aller Frauen, die Gebenedeite unter den Frauen, anvertraut wurde. Und wie mag Joseph Maria geliebt haben! So innig und stark, so hingebend und treu, aber die letzte Hingabe, die leibliche, kšrperliche, in der manche allzu einseitig das Um und Auf jeder Ehe sehen, war und blieb ihm versagt. Er musste und wollte in všlliger †bereinstimmung mit Maria darauf verzichten, ohne wohl zunŠchst voll und klar zu erkennen und einzusehen, warum und wozu dieser Verzicht gebracht wurde. Jedenfalls stand Verzicht und Opfer am Anfang des trauten, heilgeschichtlich so bedeutsamen Ehelebens des hl. Joseph mit der seligsten Jungfrau Maria. Und so bleib es wohl bis zum Tod. Heute haben die wenigsten Menschen noch Sinn und VerstŠndnis fŸr einen solchen Verzicht, wo doch der Sex als das Hšchste und Begehrenswerteste hingestellt wird. Und man meint, auch nicht fŸr Wochen oder Tage darauf verzichten zu kšnnen in Entsagung und Enthaltsamkeit und Opfergeist, bis dann auf einmal etwa Krankheit einen harten Riegel vorschiebt und dann das Opfer gebracht werden muss, auch wenn man nicht will. Wie arm sind dann solche Menschen!

 

2.    Station: Der hl. Joseph nimmt das Kreuz schwerer, schmerzlicher Seelenqual auf sich: Er muss nŠmlich in der Zeit seiner Verlobung auf einmal feststellen, dass seine Gemahlin, auf deren sexuelle, leibliche Liebeshingabe er gro§mŸtig verzichtet hatte, nun dennoch in anderen UmstŠnden war. Wieso? Und von wem stammt das werdende Leben im Scho§ seiner Braut? Wr hat es gewagt, dieses Heiligtum unberŸhrter JungfrŠulichkeit anzutasten und zu schŠnden? Oder hat Maria sich etwa gar selbst  vergessen und ihre Treue gebrochen? Nein, das kann er einfach nicht glauben. Dazu kennt er sie zu gut in ihrer so lauteren, edlen, reinen, bis ins Innerste durch und durch sauberen Haltung. Und trotzdem wird sich Joseph einfach nicht klar. Sein Herz wird von Zweifeln und seelischen Qualen zerrissen, bis ein Engel ihm Klarheit verschafft: ãFŸrchte dich nicht, Joseph, Sohn Davids, Maria, deine Braut, zu dir zu nehmen, denn was in ihrem Scho§e empfangen wurde, stammt vom Hl. Geiste!Ò Heute lacht und spottet man Ÿber dieses Geheimnis der jungfrŠulichen EmpfŠngnis des Sohnes Gottes im unverletzten jungfrŠulichen Scho§ Mariens, man zweifelt daran und stellt es in Frage oder leugnet es offen, weil man Gott, dem AllmŠchtigen, nichts mehr zutraut. Aber ãbei Gott ist kein Ding unmšglichÒ, wie der Engel Gabriel ausdrŸcklich erklŠrt bei der VerkŸndigung an Maria. Glauben wir daran, wie auch Joseph daran glaubte, als der Engel ihm die AufklŠrung Ÿberbrachte und die Seelenqualen von ihm nahm!

 

3.    Station: Joseph leidet hart unter der vergeblichen Herbergsuche! Dieses harte Wort: ãKein Platz in der Herberge!Ò hat doch sicher nicht nur Maria und dem gšttlichen Kind unter ihrem jungfrŠulichen Herzen bitter wehe getan, sondern auch dem hl. Joseph, der doch als Gatte vor allem verantwortlich war fŸr die rechte, menschenwŸrdige Unterbringung seiner Gattin in den letzten Tagen ihrer Erwartung und fŸr eine halbwegs entsprechende StŠtte der Geburt fŸr das bald schon das Licht der Welt erblickende gšttliche Kind! Vielleicht hat etwa hier der hl. Joseph in seiner treuen, zarten Gattenliebe zu Maria und in seiner ganz gro§en Ehrfurcht vor ihrem wunderbar empfangenen Kind noch mehr gelitten als die seligste Jungfrau? Denn Maria wusste sich auch in diesen harten Stunden der vergeblichen Herbergsuche geborgen in der sorgsamen Obhut und Liebe des hl. Joseph. Er aber? †berdies war wohl Maria auch mehr als der hl. Joseph in die geheimnisvollen PlŠne Gottes eingeweiht und wusste viel mehr Bescheid als er, der in gar allem auf den Glauben angewiesen war!

 

4.    Station: Joseph leidet schwer unter der Armut im Stall zu Bethlehem: Wie endlich nach der schmerzlichen Herbergsuche das armselige Quartier im verfallenen, schmutzigen, kalten Stall gefunden war, wird Joseph sicher mit viel vŠterlicher Liebe fŸr die nštige Sauberkeit des Ortes, fŸr das nštige Licht und die nštige WŠrme gesorgt haben, aber er mag sich doch dabei VorwŸrfe gemacht haben, seiner jungfrŠulichen Gemahlin fŸr die Stunde der Niederkunft kein besseres Quartier anbieten zu kšnnen. Daheim in Nazareth wŠre alles so schšn vorbereitet gewesen. Hier aber? Und welch harte Glaubensprobe mag es fŸr den hl. Joseph gewesen sein: Das wunderbar empfangene Kind meiner jungfrŠulichen Gemahlin soll der Sohn Gottes sein und wird in einem Stall geboren?! Warum greift da Gott nicht wunderbar ein? Warum diese eigenartigen, demŸtigenden UmstŠnde? Er ahnte es nicht, dass die SelbstentŠu§erung und Demut des menschgewordenen Gottessohnes von der Krippe bis zum Kreuz zum SŸhne- und Erlšsungswerk des Messias nach dem Plane Gottes dazugehšrte!

 

5.    Station: Joseph nimmt das Kreuz der Flucht nach €gypten und das harte FlŸchtlingslos fŸr sich und seine Familie auf sich!

 

Gewiss hat Joseph sofort und ohne Widerrede gehorcht, als der Befehl Gottes durch den Mund des Engels an ihn erging: ãNimm das Kind und seine Mutter und fliehe...!Ò Und doch war es hart! Erst recht dann das Leben in der Fremde fŸr eine ungewiss lange Zeit. FlŸchtlingslos in einer Baracke unter fremden Menschen. Wie oft wurde da wieder der Glaube des hl. Joseph auf die Probe gestellt. Vielleicht gab es in der Fremde den einen oder anderen Menschen, der sich nach Art eines Simon von Cyrene dazu bequemte, diesem israelitischen FlŸchtlingspaar mit einem kleinen Kind das Kreuz ihres FlŸchtlingsloses durch hilfsbereite Liebe tragen zu helfen. Aber standen nicht trotzdem vor der Seele des hl. Joseph die quŠlenden Fragen: Wozu das? Warum das? Wenn das Jesuskind wirklich der menschgewordene Sohn Gottes ist, kšnnte da Gott nicht alles ganz anders lenken? Und das Heimweh, das ihn, den im galilŠischen Heimatboden verwurzelten Mann sicher quŠlte und peinigte? Und sonstige Sorgen in Menge! Wie bewŠhrt sich da Joseph?  Immer ist er der Mann des Glaubens und des grenzenlosen, unerschŸtterlichen Gottvertrauens, der zum Willen Gottes stand, auch wenn er ihn nicht verstand, sondern ihm ein richtiges KreuzwortrŠtsel dŸnkte!

 

6.    Station: Joseph nimmt willig das Kreuz der Arbeit und PflichterfŸllung auf sich in seiner mŠnnlich-vŠterlichen Sorge um die hl. Familie in Nazareth! Glauben wir ja nicht, dass das fŸr Joseph immer gar so leicht war! Vielleicht haben fŸr den Zimmermann gar manchmal die nštigen AuftrŠge gefehlt, sodass es deshalb knapp herging im bescheidenen Haus von Nazareth. Und die Arbeit selbst forderte Anstrengung und schwei§. Sicher ist sie dem hl. Joseph nie durch ein Wunder seines gottmenschlichen Pflegesohnes erleichtert worden, denn wir lesen von keinem einzigen Wunder Jesu wŠhrend des verborgenen Lebens in Nazareth. St. Joseph arbeitete von frŸh bis spŠt und tat schweigend seine Pflicht und tat sie gern und sah darin wortwšrtlich einen Gottesdienst, bei dem zur Arbeit immer das Gebet kam.

 

7.    Station: Joseph leidet unter dem Verlust des 12jŠhrigen Jesusknaben bei der Wallfahrt nach Jerusalem. Das dreitŠgige Suchen nach dem Knaben war ja sicher nicht nur fŸr die jungfrŠuliche Mutter, sondern auch fŸr den hl. Joseph bitter und schmerzlich. Immer wusste er sich ja als Mann Mariens und Vater des in seine Ehe hineingeborenen gšttlichen Kindes als der Erstverantwortliche! Mit recht betont ja Maria dem wiedergefundenen Kind gegenŸber: ãKind, warum hast du uns das getan? Dein Vater und ich haben dich mit Schmerzen gesucht!Ò Was Maria spŠter in den drei Kartagen der Trennung von ihrem gšttlichen Sohn wŠhrend seines Leidens und Sterbens und Begrabenseins gelitten hat, das hat der hl. Joseph damals gleichsam im Voraus verkosten mŸssen. Zweifellos war das eine Kreuzwegstation in seinem Leben!

 

8.    Station: Joseph muss darauf verzichten, die wunderbare Grš§e seines Pflegesohnes zu erleben. Gewiss war fŸr den hl. Joseph in Nazareth das Zusammenleben mit Maria und Jesus trostvoll und schšn, gewiss war fŸr den hl. Joseph die Demut und der Gehorsam Jesu erbaulich und erhebend, aber nie erlebte der hl. Joseph Šu§erlich sichtbar, etwa durch ein Wunder Jesu, die Grš§e seines Pflegesohnes! Denn als Jesus sein šffentliches Lehren und wunderwirken begann, war Joseph schon nicht mehr unter den Lebenden.

 

 

9.    Station: Joseph nimmt das Kreuz des vorzeitigen Todes und der Trennung von Jesus und Maria willig auf sich.

Gewiss war sein sterben einmalig, trostvoll und schšn, weil doch an seinem Sterbebett die heiligsten Personen standen und ihn tršsteten und aufrichteten. Aber fiel deshalb etwa dem hl. Joseph das Sterben in den besten Mannesjahren leicht? Der Všlkerapostel Paulus schreibt einmal vom Sterben: ãIch sehne mich danach, aufgelšst zu werden und bei Christus zu sein!Ò Er sehnte sich danach, weil ihm ohne Jesus Christus alles so leer und sinnlos vorkam. ãSterben ist mir GewinnÒ, wenn ich dafŸr dann bei Christus sein kann! Konnte der hl. Joseph auch so sprechen, als er im Sterben lag? Nein, fŸr ihn bedeutete ja das Sterben Trennung von Jesus und von Maria! Harte, leidvolle Trennung von den liebsten Personen, die fŸr ihn schon auf Erden den Himmel ausmachten. Und doch sagte Joseph, der Mann des Glaubens und des Glaubensgehorsams, willig Ja auch zu diesem Opfer, das ihm durch den unbegreiflichen Gott abverlangt wurde.

 

Seht, man kšnnte so den Kreuzweg des hl. Joseph noch weiterfŸhren, etwa bis zur Tatsache, dass fŸr ihn nicht das verhei§ungsvolle Wort aus dem Munde Jesu klang, das der rechte SchŠcher vernehmen durfte: ãHeute noch wirst du bei mir im Paradiese sein!Ò  FŸr Joseph begann nun auch im Jenseits die Zeit des Wartens und Verzichtens in der Vorhšlle, bis dort dann sein auferstandener Sohn die Frohbotschaft von der erfolgten Erlšsung verkŸndete und die Tore zum Himmel auftat.

 

Auch das gehšrt wohl noch zum Kreuzweg dieses stillen, beschiedenen Heiligen dazu, dass er jahrhundertelang auf die ihm gebŸhrende Verehrung warten und darauf verzichten musste. Er blieb ja bis ins 16. Jahrhundert aus eigenartigen GrŸnden der unbekannte Heilige. Und ist auch heute wieder der verkannte Heilige, weil ihm heute von manchen unglŠubig und bšswillig eine Ehre zugeteilt wird, die er schockiert und erschreckt weit von sich weisen wŸrde, wenn man ihn nŠmlich zum leiblichen Vater Jesu macht auf Kosten der JungfrŠulichkeit Mariens und auf Kosten der Ehre Jesu, der als Gottessohn keine Mutter, sondern nur einen Vater, den himmlischen Vater, und als Menschensohn keinen leiblichen Vater, sondern nur eine Mutter, eine jungfrŠuliche Mutter haben sollte.

Danken wir dem hl. Joseph, indem wir seine Grš§e – es ist Grš§e aus dem Glauben – richtig sehen, und jetzt in der Passionszeit gerne den Kreuzweg seines gšttlichen Sohnes gehen und das eigene Kreuz willig und opferbereit tragen, wie er es getragen hat, dieser stille, demŸtige, gehorsame und opferbereite Heilige. Amen